Diese Woche stand in Berlin ganz im Zeichen den Internet Governance. Zunächst veranstaltete die deutsche Initiative des Internet Governance Forums am Mittwoch ihr diesjähriges Haupttreffen im Rahmen der Factory-Eröffnung, an den folgenden beiden Tagen dann fand der European Dialogue on Internet Governance, kurz EuroDIG ausgerichtet durch den eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. unter Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt an dessen Berliner Amtssitz statt.
Ich habe an beiden Veranstaltungen teilgenommen und stelle im Folgenden meine Eindrücke dar, wobei für mich hier natürlich hauptsächlich die politische Diskussion von Interesse war.
European Dialogue on Internet Governance (EuroDIG)
„The internet is different. It is, and it should be, a free, safe and open space.“
Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Äußeren, 12.06.2014
In seiner Rede zur Begrüßung beim EuroDIG zeigte sich der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier beeindruckt vom „Multi-Stakeholder-Modell“, nach dem auf der NETmundial-Konferenz im Frühjahr in Rio und auch jetzt beim EuroDIG alle Interessengruppen beteiligt werden.
Interessenvertreter aus der Wirtschaft, der Politik, gemeinnützigen Organisation und der Zivilgesellschaft nehmen gleichberechtigt an der Diskussion teil. Kein Wort zählt mehr oder weniger als das des Anderen. Auch in der anschließenden Diskussion sowie dem namengebenden Panel der Veranstaltung: „Digital society at stake – Europe and the future of the Internet“ war der Begriff „Multi-Stakeholder“ der mit Abstand am meisten gebrauchte.
Neben der Beteiligung in den Internet-Governance-Prozessen war natürlich auch das Wiedererlangen von Vertrauen in das Internet ein Thema, das rege diskutiert wurde. Auch wenn die Veranstalter zunächst eine klare Aufteilung der Themen geplant hatten, so kam man in der Diskussion doch immer wieder auf die digitale Massenüberwachung des Internets zurück. Offensichtlich ein Thema, das die Vertreter der Zivilgesellschaft weitaus stärker umtreibt, als die Vertreter aus Politik oder Wirtschaft.
Zwar erwähnte auch Außenminister Steinmeier dies in seiner Rede, indem er darauf einging, dass der Staat eine wichtige Rolle bei der Internet Governance spielt, dies aber nur könne, wenn er das Vertrauen aller Interessensgruppen habe. Aber gerade die Enthüllungen Edward Snowdens hätten das Gegenteil bewirkt und das Vertrauen in die europäischen Regierungen und in Europas wichtigsten Verbündeten, die Vereinigten Staaten, untergraben. Das sei ein Rückschlag für uns alle.
Doch gerade für den obersten Diplomaten des Landes bedeutet diese Aussage wohl eher, dass die Überwachung durch die NSA seitens der Regierung weiter totgeschwiegen werden soll, bis sie dann irgendwann vielleicht doch in Vergessenheit gerät. Und der Bericht zur Zusammenarbeit von NSA und BND in Deutschland im morgen erscheinenden Spiegel (25/2014) lässt auch nicht gerade auf Aufklärungswillen hoffen. Denn so heißt es dort:
„Wie die Kooperation zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten in Bad Aibling offiziell angelegt ist, dokumentiert ein Vertragswerk, das […] unter der Federführung des damaligen Kanzleramtschefs Frank-Walter Steinmeier (SPD) formuliert wurde.“
DER SPIEGEL 25/2014, „Eifer und Gier“,S. 27
Staatssekretär Kapferer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hingegen legte den wirtschaftspolitischen Schwerpunkt seines Beitrags am zweiten Konferenztag auf das Thema Netzneutralität.
„Wir wollen das offene und freie Internet erhalten. Es ist ein Raum der Meinungsvielfalt, Teilhabe und Innovation. Diese Errungenschaften gilt es zu schützen. Deshalb setzen wir uns auf europäischer Ebene für die rechtliche Verankerung der Netzneutralität ein. Zugleich muss aber die Entwicklung neuer, innovativer Dienste möglich bleiben.“
Stefan Kapferer, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 13.06.2014
Doch auch das ist noch kein Fortschritt in der bisherigen Diskussion. Letztendlich werden hier doch auch wieder nur die ominösen „Managed Services“ unter dem neuen Namen „neue, innovative Dienste“ wiederbelebt und somit wird eine echte Netzneutralität immer weiter verwässert.
Das Panel zum Thema „The Internet is broken – Bringing back trust in the Internet“, auf dem u. A. Jake Appelbaum und die EU-Senior-Policy-Mangerin von Microsoft EMEA, Cornelia Kutterer, zugegen waren nahm sich dem Thema der Massenüberwachung des Internets durch die Geheimdienste – allen voran die NSA – an, lenkte die Diskussion allerdings im Verlauf dann etwas in die falsche Richtung. Letztendlich entstand der Eindruck, dass die globale Überwachung schuld der IT-Konzerne – allen voran Microsoft – sei, die für die Geheimdienste erst entsprechende Überwachungsmöglichkeiten schaffen und diese in ihre Produkte integrieren. Dass diese gar nicht anders können, weil sie hierzu nach US-Recht verpflichtet sind, wurde dahingegen nicht berücksichtigt.
Zudem wurde auch von der ehemaligen MI5-Mitarbeiterin und Whistleblowerin Annie Machon die geheimdienstliche Massenüberwachung mit der freiwilligen Eingabe von persönlichen Daten bei kommerziellen Internetangeboten gleichgesetzt und so weiter die Mär von den bösen Internetkonzernen angefeuert:
„Facebook is a spy’s wet dream“
Annie Machon, Ehemalige MI5-Agentin und Whistleblowerin, 13.06.2014
Das mag ja stimmen, wenn man vergleicht, wie aufwändig es früher war mein Mittagessen durch das durchwühlen meiner Mülltonne zu bestimmen, anstatt heute einfach ein Blick auf Instagram zu werfen oder mich den ganzen Tag beschatten zu lassen, um herauszufinden, dass ich abends im Kino war, anstelle einfach meine FoursquareSwarm-Check-Ins anzuschauen, aber das ist in keiner Weise eine Rechtfertigung, dass das auch für meine E-Mails, Instant-Messages oder die History aller meiner besuchten Internetseiten gelten muss, was – so die Snowden-Dokumente – die geheimdienstlichen Programme wie XKeyscore automatisch aggregieren.
Im Panel zu Unternehmensgründungen sahen sich die Startup-Gründer in Europa trotz aller Vereinheitlichungen dahingehend benachteiligt, dass sie für den europäischen Markt die jeweils geltenden Gesetze von 28 Ländern beachten müssen und so für die Gründung eines Unternehmens deutlich mehr finanzielle Mittel benötigen, als sie z.B. ein amerikanischer Konkurrent für den amerikanischen Markt bräuchte. Allerdings kommt dieser in Amerika dafür viel einfacher an Risikokapital, als es in Europa der Fall ist. Und da es in Europa keine Fehlerkultur gibt, steht ein Gründer nach einem unternehmerischen Fehlschlag in Europa oftmals am Rande seiner Existenz.
Internet Governance Forum Deutschland
Bereits am Mittwoch fand im Rahmen der Factory-Eröffnung das Internet Governance Forum Deutschland statt.
Inhaltlich überschnitten sich die Themen natürlich mit dem EuroDIG, weswegen ich hier nur noch auf einzelne Programmteile eingehen will.
In der Diskussion zwischen dem Hamburger Datenschutzbeauftragten Prof. Dr. Johannes Caspar und einigen jungen Erwachsenen hatte ich zunächst das Gefühl, dass Prof. Dr. Caspar zunächst davon ausging, ein paar dumme Jugendliche durch anspruchsvolle Rhetorik und diffizile Antworten gegen die Wand laufen lassen zu können, sich dann aber wohl eingestehen musste, dass ihm dies bei der Panel-Besetzung mit dem stellvertretenden Juso-Bundesvorsitzenden Johannes Gorges, der deutschen UN-Jugenddelegierten Celina Greppler und der Master-Studentin Laura Montag wohl eher nicht gelänge. Dann war die Diskussion auch ganz passabel und ich fand den Standpunkt von Celina Greppler höchst interessant, dass die Problematik nicht sei, wie wir Jugendlichen Medienkompetenz beibringen sollen, sondern dass die Digitalisierung der Gesellschaft alle Altersschichten beträfe und Menschen aller Generationen hier entsprechende Kompetenz benötigten. Nicht die Digital Natives bräuchten hier Unterstützung, die kennen das ja nicht anders, vielmehr müssten wir auch dafür sorgen, dass die älteren Generationen von dieser Entwicklung nicht abgehängt würden.
Im Panel mit den Mitgliedern des Bundestagsausschusses “Digitale Agenda” diskutierten die Ausschussmitglieder Konstantin von Notz, Halina Wawzyniak und Thomas Jarzombek über die Entstehung des Ausschusses in der aktuellen Wahlperiode, dessen Befugnisse und in welcher Rolle sie dessen Tätigkeit sehen. Darüber hinaus gab es auch interessante Einblicke in die Arbeitsweise des Bundestages, beispielsweise können Bundestagsmitglieder in dieser Wahlperiode nicht verschlüsselt per E-Mail kommunizieren. Dafür haben die Obleute des NSA-Untersuchungsausschusses Crypto-Blackberrys von SecuSmart erhalten, über die immerhin (vorausgesetzt, die Gegenstelle hat auch so ein Gerät) verschlüsselt telefoniert werden kann. Es ist aber eher nicht davon auszugehen, dass das praktisch auch genutzt wird.
Was bleibt: Die Erkenntnis, dass das Internet in der Politik angekommen ist, dort aber erst eine gemeinsame Strategie gebildet werden muss, wie damit umgegangen wird. Noch ist sehr viel unklar, aber ein – wenn auch langsamer – Fortschritt ist erkennbar. Gerade jetzt muss Einfluss auf die politischen Entscheidungsprozesse genommen werden, regierungsunabhängige Akteure wie z.B. D64 e.V. sind daher jetzt wichtiger denn je.
Disclaimer: Dieser Text gibt die persönliche Meinung des Autors wieder. Die Fahrt- und Übernachtungskosten für die Teilnahme am Internet Governance Forum Deutschland und am EuroDIG hat der Autor privat bezahlt.
Auch wenn ich jetzt weiß, dass ich nicht verschlüsselt kommunizieren kann, weiß ich nun auf jeden Fall auch, dass ich von Dir ne Menge lernen kann! Vielen Dank für Deinen Beitrag, Oliver